Ein Halfmannshöfer Gemeinschaftswerk: die evangelische Pauluskirche in Bulmke. Otto Prinz variierte seine Entwürfe in der Bauphase von 1954 bis 58
Welche Rolle spielten der Halfmannshof und seine Künstler? 2006, als der Hof 75 Jahre bestand, wurde dieser Frage in verschiedenen Formen und auf verschiedenen Ebenen nachgegangen. Jetzt steht fest: Eine Kirche in dieser Stadt hätte ohne die Bildhauer, Maler oder Architekten vom Halfmannshof ein sicherlich völlig anderes architektonisches und künstlerisches „Gesicht“ bekommen. Die Rede ist von der evangelischen Pauluskirche an der Hammerschmidtstraße in Bulmke.
Die von einem Basisquadrat ausgehende Architektur aus dem Jahr 1911 wurde 1944 durch Bombardierung stark zerstört. Von 1954 bis 58 wird sie neu erbaut. Als kompetenten Baumeister verpflichtete die Gemeinde Otto Prinz vom benachbarten Halfmannshof. Prinz (1902 – 58) unterschied sich mit seinen Entwürfen von vielen anderen Kirchenbauten damals wie heute: Weil er mit der Zeit, mit den Strömungen und Stilen ging und die neuen Bedingungen jeweils den Bedürfnissen und theologischen Fragen anpasste. Drei Entwürfe lieferte er bis zur baulichen Realisierung.
So wird aus einem romanisierenden Baukörper, der Fenster mit Rundbögen vorsah, eine moderne Variante mit rechtwinkliger Ausrichtung. Stahlbeton und viel Glas ersetzen Stein und reduzierte Fensterfronten. Der gesamte Komplex wird einem Stilwandel unterzogen, somit „geklärt und gestrafft“, wie es in einer Denkmal-Festschrift von 2004 heißt. Emporen, schlanke Säulen, Altarraum mit Licht von draußen sowie die gläsernen Schau-Fenster mit dem Dialog Innen/Außen kennzeichnen nun – noch heute – diese Sakralarchitektur: sicherlich ein Vorzeige-Projekt von Otto Prinz.
Er schuf den Kontakt zu seinen Kollegen vom Gelsenkirchener Hof. So holte Prinz, der in seinem Atelier mit Ludwig Schwickert zusammen arbeitete, in enger Koordination mit der Kirchenleitung Hubert Nietsch, Eduard Bischoff und Friedemann Werner zur einzelnen Ausgestaltung der alt-neuen Kirche. Altar, Taufstein und das monumentale Fassadenfenster im Altarraum entwarf Nietsch. Für das großformatige Fenster entwickelte er aus der Grundform eines Lamms mit Siegerfahne vor der Silhouette von Jerusalem ein Bau-Symbol für Frieden, Opfergang und Toleranz. Wer erlebt, wie das Licht von außen mit der Motivik spielt und die Wahrnehmung dadurch ständig verändert, erkennt das hohe Maß an Qualität für diese 35mal gestaffelte, von Stahlfassungen gehaltene, atmosphärische Glaswand, die den gesamten Raum markiert.
Eduard Bischoff deutete den Eingangsbereich ebenfalls mit einer Fensterfront: die 12 Aposteln werden in ihrer unterschiedlichen Wesensart dargestellt. Dieses Entree wurde später noch stärker als eigene Kapelle umgestaltet – als intimer Erlebnis- und Gebetsraum. Die menschengroße Apostelschar wirkt wie Nachbarn in dieser Runde.
Friedemann Werner schließlich nahm sich des Treppenlaufs an der Kanzel an. Nicht von einem Halfmannshöfer stammt nur das raumhohe, spartanisch schlichte Holzkreuz vor dem Altarfenster. Kirchmeister Erich Meyer schuf selbst diese Verbindung von zwei „Linien“ aus der Horizontalen und der Vertikalen.
Ein Halfmannshöfer Gemeinschaftswerk: die auf dem Hügel angesiedelte Pauluskirche. Sie besitzt trotz wuchtiger Außenmaße ein ganz eigenes, lichtdurchflutetes, künstlerisch durchpulstes Klima: Gott kann sich hier einrichten. HJL
Mit freundlicher Genehmigung von Hans-Jörg Loskill / WAZ Gelsenkirchen / 26. Mai 2007